Heidelberg: Kramp-Karrenbauer liefert Erwartbares, aber auch Klartext
Von Sebastian Riemer
Heidelberg. Manchmal hat man einfach Glück. Das gab der Heidelberger CDU-Vorsitzende Alexander Föhr am Freitagabend beim Neujahrsempfang seiner Partei ganz offen zu: "Wir haben im April 2018 eine frischgebackene Generalsekretärin eingeladen - und jetzt eine Bundesvorsitzende bekommen." Und die Neugier der Heidelberger auf Annegret Kramp-Karrenbauer alias "AKK" war groß: Über 400 Zuhörer füllten das Foyer der SRH-Hochschule, darunter auch viele Nicht-CDU-Mitglieder.
Doch so richtig sprang der Funke nicht bei allen über: Kramp-Karrenbauer hielt in ihrer recht lockeren und ganz unaufgeregten Art eine solide knapp 40-minütige Rede. Und wenn mal geklatscht wurde, sprach sie meist einfach über den Applaus hinweg.
Der rote Faden ihres Auftritts war ein Verb: "müssen" - immer wieder "müssen". "Wir müssen mit Mut und Optimismus in dieses Jahr gehen." - "Wir müssen hart arbeiten und uns auch unbequemen Fragen stellen." - "Wir müssen wieder mehr über Recht und Unrecht und die Konsequenzen des eigenen Handelns sprechen." Um welches Thema es auch gerade ging: Den Zuhörern war meist völlig unklar, ob da noch die Bundesvorsitzende spricht, die ihre Partei meint - oder eine Bundeskanzlerin in spe, die schon für das ganze Land redet.
Europa, innere Sicherheit, Flüchtlingspolitik, Diesel-Krise: Inhaltlich deckte die 56-Jährige konsequent die Nachrichtenlage ab - und sagte viel Erwartbares. Doch sie sprach durchaus auch Klartext: "Wir sind nicht mehr an der Spitze des Fortschritts", so Kramp-Karrenbauer - und das gelte für Deutschland, aber genauso für ganz Europa. "China ist erfolgreich - aber dieses System teilt nicht unsere Vorstellungen einer offenen, demokratischen Gesellschaft". In ungewöhnlich drastischem Tonfall zog Kramp-Karrenbauer Parallelen zum Kalten Krieg: Wir seien erneut in einem "Kampf der Systeme". Und dann kam es wieder, das kollektive "Müssen": "Diesen Kampf müssen wir aufnehmen - und uns deutlich mehr anstrengen als die letzten Jahre."
Zwei Botschaften, die aufeinander aufbauen, waren der Saarländerin besonders wichtig: Zum einen sei hierzulande alles bei Weitem nicht so schlimm, wie oft getan werde. "Wir haben nach wie vor Wirtschaftswachstum, einen gewissen gesellschaftlichen Zusammenhalt, einen guten Arbeitsmarkt und kommen in der Politik zu tragfähigen Kompromissen." Deshalb sei Optimismus angebracht.
Doch all das basiere zu großen Teilen auf den Leistungen der Vergangenheit. "Und damit es so bleibt, müssen wir endlich auch unbequeme Diskussionen führen und auch mal über Dinge reden, für die man nicht sofort Beifall bekommt."
Ein Beispiel sei der Klimaschutz, mit Kramp-Karrenbauers Worten "die Bewahrung der Schöpfung": Dafür dürfe man nicht einfach Deutschland deindustrialisieren. "Wir müssen", da war Kramp-Karrenbauers Lieblingsverb wieder, "eine erfolgreiche Wirtschaftsnation bleiben und zugleich den Klimaschutz vorantreiben."
Das, was vielleicht einmal zur Parteiseele der CDU gehörte, streichelte sie dann aber doch noch ein wenig - als es darum ging, wie der Klimaschutz eben nicht gemacht werden soll: "Wir sind gefühlt die einzige Nation, die sich vor Silvester wochenlang mit der Frage der Feinstaubbelastung beim Feuerwerk beschäftigt - und über ein Verbot diskutiert, statt einfach Spaß daran zu haben." Für den Vorsitzenden der Altstadt-CDU, Erik Bertram, ein etwas unangenehmer Moment, hatte er doch an Neujahr ein Feuerwerksverbot in der Innenstadt gefordert - wegen angeblicher "Szenen wie auf einem Schlachtfeld" auf der Theodor-Heuss-Brücke.
Für die Kommunalwahl am 26. Mai hatte die CDU-Bundesvorsitzende auch noch eine kleine Botschaft: "Wenn die Menschen vor ihrer Haustüre nur marode Straßen sehen, haben sie instinktiv das Gefühl, das Staatswesen sei auch marode." Deshalb gebe es keine kleine und große Politik - und gute und schlechte. Und die gute, klar, die mache auch in Heidelberg immer noch hauptsächlich die CDU.