Magisches Comeback: Expecto Enttäuschung – die Erwartungen an die Harry-Potter-Serie sollten gering sein
Der beliebteste Brillenträger der Welt soll sein magisches Comeback feiern – als Streaming-Serie. Arbeitstitel: Harry Potter und das Remake des Schreckens. Unser Autor hat wenig Hoffnung für die Fans in der Muggel-Welt.
30 Sekunden und Millionen Muggel flippen aus. Dabei gibt der Teaser des Streaminganbieters HBO Max außer ein paar schwebenden Kerzen, die einen weltbekannten Schriftzug bilden, eigentlich nicht viel her.
Doch, wenn man mit nichts gerechnet hat, ist nicht viel eine ganze Menge.
Nun ist es also offiziell: Kurz nachdem Abermillionen Christen die Auferstehung Jesu gefeiert haben, zieht der Junge, der überlebte, nach. Der Vergleich hinkt natürlich. Der Messias brauchte drei Tage für seine Rückkehr. Harry am Ende wohl knapp 14 Jahre. Aber immerhin: Beide können Wasser in Wein verwandeln.
Harry Potter kommt zurück, diesmal als Serie – wie könnte es anders sein. Das kann nicht gut gehen. Harry Potter Serie 6.40
Fließbandarbeit statt Traumfabrik
Dass das Harry-Potter-Universum sich naturgemäß weiter ausdehnen würde, war klar.
Schließlich teilen sich alle großen Filmstudios dieser Welt ein und dasselbe Wappentier: Was für Gryffindor der Löwe und für Slytherin die Schlange, ist für die Warner, Disney und Universal die Cashcow. Wer könnte es ihnen verübeln? Allein die acht Hauptfilme haben in nicht einmal zehn Jahren 7,7 Milliarden US-Dollar eingespielt – fast das Siebenfache ihrer Produktionskosten. Am Ende waren die Niffler – pardon: die Studiochefs – glücklich.
Franchisen wie Herr der Ringe, Star Wars oder eben die "Wizarding World" dürften für den Moment noch "too big to fail" sein. Nicht zuletzt, um die absurd hoh Lizenz- und Produktionskosten wettzumachen, stopfen die Filmstudios den Fans so viele Prequels, Sequels und Spin-offs in den Rachen, bis bei den zwangsgehypten Zuschauern aus freudiger Erwartung Überdruss und schließlich Ernüchterung wird. So verkommen Geschichten allzu oft zu Inhalten und Fans zu Konsumenten. Fließbandarbeit statt Traumfabrik. STERN PAID Tom Felton 12.21
Die Filmreihe ist zu jung für ein Remake
Dabei kann eine Neuauflage durchaus Sinn machen. Zum Beispiel, um eine neue Generation an das Franchise zu binden. Dabei ist das Trio Radcliffe-Watson-Grint aber selbst noch zu jung, um von der guten alten Zeit zu schwärmen, als alles noch einen Knut gekostet hat. Wenn Ron im "Stein der Weisen" mittels "Wingardium Leviosa" (nicht "Leviosaaa") die Keule des Trolls schweben lässt, um der späteren Liebe seines Lebens (Sorry, Spoiler!) die Wuschkopf zu retten, sieht das heute, 20 Jahre später, zwar eher schlecht als echt aus. Trotzdem hat die Originalreihe einfach noch nicht genug Staub angesetzt, um einen neuen Anlauf zu rechtfertigen.
Dass Remakes funktionieren können, steht außer Frage. Zuletzt hatte Denis Villeneuves mit seiner grandiosen Neuinterpretation von Dune vorgemacht, wie es gehen kann. Nun soll die neue Harry-Potter-Serie aber weder das Davor, noch das Danach erzählen, sondern die Handlung der siebenteiligen Romanreihe erzählen. Nochmal. Nur eben ausführlicher. Über "zehn aufeinanderfolgende Jahre" sollen die nächste Generation Muggel so mit Potter-Content gefüttert werden.
Harry Potter 2.0 wird wahrscheinlich ein Squib
Nun beginnt es also, das große Warten. Vor allem aber das noch größere Erwarten. Denn der Druck, der auf den Verantwortlichen lasten wird, wird enorm sein.
Die Mittelerde-Serie "Ringe der Macht" hatte gezeigt, wie so etwas enden kann. Aus Angst vor den eigenen Fans mussten die allesamt namhaften Drehbuchautoren damals von der Außenwelt abgeschirmt, hinter zugeklebten Fenstern kreativ werden. Dass am Ende gut gemeintes, teures Mittelmaß herauskam, wundert wenig. Wer Harry Potter in dieses Jahrzehnt hieven soll, ist nicht zu beneiden. Erfinderin Joanne K. Rowling scheidet für diese Aufgabe aus – sie soll Produzentin werden. PAID Rowling Transsexualität Debatte 18.05
Nun soll man die Nacht nicht vor dem Morgen hassen, oder so ähnlich. Bevor wir Harry 2.0 auf der heimischen Couch zu sehen bekommen, kann noch einiges passieren. Bis zum geplanten Start 2025 kann Rowling noch Dutzende fragwürdige Tweets absetzen, toxische Fans sich über einen ihrer Meinung nach allzu diversen Cast beschweren und noch mehr gefrustete Journalisten die Serie im Vorfeld schlechtschreiben.
Doch die Wette gilt: Harry 2.0 wird wahrscheinlich ein Squib. Wir erwarten Magie und werden enttäuscht sein.