Regierung: Lehrerstellen-Streit: Bildungsministerin Ernst tritt zurück
Es ist ein politischer Paukenschlag: Nach über fünf Jahren tritt Britta Ernst als Bildungsministerin in Brandenburg zurück. Die Kanzlergattin liefert eine Begründung.
Brandenburgs Bildungsministerin Britta Ernst ist nach Kritik auch aus den eigenen Reihen zurückgetreten. Die 62 Jahre alte SPD-Politikerin und Ehefrau von Kanzler Olaf Scholz (SPD) gab am Montag als Grund für den Rücktritt fehlende Geschlossenheit für ihre Pläne zum Einsatz von Lehrkräften an und erwähnte dabei die SPD-Landtagsfraktion. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) bedauerte ihre Entscheidung und kündigte Bildungsstaatssekretär Steffen Freiberg als Nachfolger an. Der Rücktritt kam überraschend - selbst Woidke soll am Montag verblüfft gewesen sein. Als Ernst später ihren Rücktritt verkündete, wirkte sie bedrückt.
Die Herausforderungen für das Bildungsministerium seien sehr groß, sagte Ernst am Montag in Potsdam. "Um dem zu begegnen, ist eine große Geschlossenheit notwendig." In einer schriftlichen Erklärung ergänzte sie, ihre Pläne zur Sicherung des Unterrichts in allen Regionen hätten nicht die Unterstützung der SPD-Landtagsfraktion gefunden. "Es ist eine Selbstverständlichkeit, dass wir die anstehenden Herausforderungen nur mit maximaler Geschlossenheit bewältigen werden. Diese Geschlossenheit ist nicht mehr gegeben." Sie verteidigte sich in der Erklärung: "In Brandenburg haben wir in der vergangenen und in dieser Legislaturperiode viele gute und richtige Entscheidungen zur Sicherung des Unterrichts getroffen."
Die Ministerin galt als ideale Besetzung und hatte anfangs Fortune. So kam im August 2018 der Einstieg in die Beitragsfreiheit für das letzte Kita-Jahr. Doch seit der Corona-Pandemie stand sie immer mehr in der Kritik von Verbänden und Opposition. Zuletzt gab es auch Widerstand aus der Koalition. Da für das kommende Schuljahr 1800 neue Lehrkräfte benötigt werden, aber laut Ernst nicht zu gewinnen sind, wollte sie unter anderem 200 Lehrkräfte-Planstellen in Stellen für Verwaltungsfachkräfte und Schulsozialarbeiter umwidmen. Die Lehrer in Schulen auf dem Land mit hohem Anteil an Seiteneinsteigern sollten von Verwaltungsaufgaben entlastet werden, um zumindest den vorgeschriebenen Unterricht zu garantieren. Zugleich sollten an allen Schulen Ressourcen für Förder- und Ganztagsunterricht sowie Inklusion gekürzt werden.
Die bildungspolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, Katja Poschmann, hatte im März betont, jedes pädagogische Angebot sei unverzichtbar. Sie kündigte an, die Planungen von Ernst würden genau geprüft. Am Montag kam von der SPD-Fraktion jedoch Dank. SPD-Fraktionschef Daniel Keller bedauerte den Rücktritt von Ernst und bedankte sich "für die gute Zusammenarbeit in den zurückliegenden Jahren". Er sei sich sicher, dass Freiberg die bevorstehenden Aufgaben "beherzt und zielgerichtet anpacken wird". Grünen-Fraktionschefin Petra Budke hatte die Pläne von Ernst ebenfalls skeptisch gesehen.
Ernst war seit 2017 Bildungsministerin in Brandenburg, davor war sie Schulministerin in Schleswig-Holstein. Woidke bedankte sich bei ihr. "Ich bedaure diese Entscheidung", sagte er. Sie habe große Weitsicht, Mut und Durchsetzungswillen bewiesen. Er würdigte ihren Einsatz für die verbesserte Betreuungsquote für Kinder und die Entlastung der Eltern von Kita-Beiträgen in mehreren Schritten. Als Vorsitzende der Kultusministerkonferenz der Länder 2021 habe Ernst in der Corona-Pandemie den richtigen Weg vorgegeben, Kindern und Jugendlichen möglichst weitgehenden Zugang zu Bildung zu geben. Auf Kritik bei Verbänden war auch das Verschieben der Kitarechtsreform gestoßen, dabei verwies Ernst aber auf den Landkreistag, der wegen mehrerer Krisen darum gebeten hatte, die Reform zu verschieben.
Brandenburgs CDU-Fraktionschef Jan Redmann zollte Ernst Respekt. "Um den Scherbenhaufen verfehlter Politik der letzten 30 Jahre aufzuräumen, bedarf es einer breiten und verlässliche Unterstützung." Grünen-Fraktionschefin Budke sieht das Bildungsministerium vor großen Hürden. Sie schaue mit Spannung auf die bildungspolitischen Lösungsvorschläge ihres Nachfolgers, sagte sie. AfD-Bildungspolitiker Dennis Hohloch nannte den Rücktritt "ein Eingeständnis des Versagens". Die Linke-Bildungspolitikerin Kathrin Dannenberg sagte, der Scherbenhaufen sei immer größer geworden. Der Fraktionschef von BVB/Freie Wähler, Péter Vida, sprach von einem späten "Eingeständnis des eigenen Versagens" von Ernst.
Berlins Bildungssenatorin Astrid-Sabine Busse (SPD), derzeit auch Präsidentin der Kultusministerkonferenz, bedauerte Ernsts Rücktritt. "Ich teile bekanntlich ihre Ansicht, dass die Herausforderung des Lehrkräftemangels Deutschland leider noch auf viele Jahre begleiten wird", teilte Busse mit. Aus diesem Grund seien auch ungewöhnliche Wege zur Fachkräftegewinnung nötig.
Woidke will Kontinuität: Staatssekretär Freiberg soll am 10. Mai im Landtag vereidigt werden. Der 41 Jahre alte Sozialdemokrat verwies bei seiner Vorstellung auf die schwierige Lage im Bildungsbereich. Während der Pandemie seien Dinge unerledigt geblieben. Er zeigte sich zuversichtlich, dass man in den kommenden Monaten vorankomme. Freiberg ist erst seit 2022 Staatssekretär in Brandenburg. Von 2016 bis 2021 war er Bildungsstaatssekretär in Mecklenburg-Vorpommern.
Der Pädagogenverband sieht mit dem Rücktritt Probleme wie den Lehrkräftemangel und die schleppende Digitalisierung aber nicht gelöst. "Es wird eine Nase ausgetauscht, es ändert sich der Geruch aber nicht", sagte Verbandspräsident Hartmut Stäker der Deutschen Presse-Agentur.
Ernst sagte in der Pressekonferenz zu ihrem Rücktritt, es sei ihr immer eine große Freude gewesen, das Ministerium führen zu dürfen. Und Brandenburg sei ihr Lebensmittelpunkt geworden, sagte die Hamburgerin, die mit Scholz seit mehreren Jahren in Potsdam wohnt.
Britta Ernst - Lebenslauf