Protestaktion in Stockholm: Mann trampelt auf Koran herum – und hätte ihn verbrennen dürfen. Wäre das auch in Deutschland erlaubt?
Bei einer islamfeindlichen Aktion in Stockholm wird erneut ein Koran geschändet. Zur geplanten Verbrennung kommt es zwar nicht – aber warum gab die Polizei überhaupt die Erlaubnis dazu? Und wäre eine solche Aktion in Deutschland strafbar?
Wieder sollte in Stockholm ein Koran angezündet werden. Am Donnerstagnachmittag kam es es zu der Protestaktion vor der irakischen Botschaft, doch die Heilige Schrift des Islams wurde verbrannt, wie die schwedische Nachrichtenagentur TT berichtet.
An der Aktion waren nur zwei Leute beteiligt. Zwar trampelte ein Mann auf einem Exemplar des Korans herum. Abgewandt von Publikum und Kameras wurde das Buch auch in Brand gesteckt – das Feuer zündete aber nicht richtig. Niemand beobachtete nach TT-Angaben, dass der Koran tatsächlich brannte. Auf Bildern von dem Buch waren kleine Brandspuren zu sehen.
Es war das zweite Mal innerhalb weniger Wochen, dass in der schwedischen Hauptstadt ein Koran bei einer islamfeindlichen Aktion verunglimpft wurde. Schon eine Verbrennung Ende Juni hatte in der arabischen Welt für Empörung gesorgt. Im Irak kam es zu mehrtägigen Protesten. Die neue Aktion fiel in die muslimischen Neujahrsfeiern. Muslime weltweit feierten am jetzigen Mittwoch den 1. Muharram und damit den Beginn des neuen Jahres. Bei den beiden Protestteilnehmern handelte es sich um dieselben wie bei der Aktion im Juni.PAID STERN Extra 2009_05 Islam 15 Uhr
Koranverbrennung sorgt für Proteste – Polizei genehmigt sie aber
Die geplante Verbrennung des Korans in Stockholm hat die Beziehungen zwischen Schweden und dem Irak deutlich verschlechtert. Die schwedische Botschaft in Bagdad wurde in der Nacht zum Donnerstag von wütenden Demonstranten gestürmt. Schweden legte offiziell Protest ein und forderte von den irakischen Behörden besseren Schutz für seine Diplomaten. Stattdessen ließ der irakische Ministerpräsident Mohammed Schia al-Sudani jedoch die schwedische Botschafterin ausweisen. Bagdad drohte sogar mit dem kompletten Abbruch der diplomatischen Beziehungen.
Die schwedische Polizei hatten die Aktionen in Stockholm im Vorfeld genehmigt. Bei der ersten Koran-Verbrennung im Juni hatte der 37-jährige Demonstrant namens Salwan Momika seinen WUnsch unter anderem mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung begründet. Die Polizei hatte jedoch später Ermittlungen gegen den Mann aufgenommen – wegen des Verdachts auf Aufwiegelung gegen ethnische Gruppen.
Die schwedische Regierung hatte die Verbrennung eines Korans im Juni als "islamfeindliche" Tat verurteilt. Die Regierung habe "volles Verständnis dafür, dass die islamfeindlichen Handlungen, die bei Demonstrationen in Schweden von Einzelpersonen begangen wurden, für Muslime beleidigend sein können", erklärte das Außenministerium damals. "Wir verurteilen diese Handlungen, die in keiner Weise die Ansichten der schwedischen Regierung widerspiegeln, auf das Schärfste", hieß es weiter. Das Außenministerium erklärte, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit hätten "in Schweden oder in Europa keinen Platz".RAMADAN Strecke 12.23
Gericht in Schweden: Polizei durfte Aktion nicht verbieten
Bleibt die Frage: Warum bekam der Mann überhaupt die Erlaubnis, einen Koran zu verbrennen? Für die Antwort muss man ein paar Monate zurückgehen.
Im Januar dieses Jahres wurde in Stockholm eine Puppe aufgehängt, die den türkischen Präsidenten darstellen sollte. Die Aktion löste in der Türkei heftige Reaktionen aus. Einige Tage später verbrannte der rechtsextreme Politiker Rasmus Paludan einen Koran in der Nähe der türkischen Botschaft in Stockholm. Die Aktion war genehmigt.
Sicherheitsbehörden in Schweden warnten im Februar, dass die Ereignisse eine Bedrohung für das Land darstellen könnten. Die Polizei lehnte daraufhin eine weitere Koranverbrennung vor der türkischen Botschaft ab mit der Begründung, dass frühere Verbrennungen international heftige Proteste hervorgerufen und die Bedrohungslage gegen Schweden beeinflusst hätten. Eine zweite Koranverbrennung vor der irakischen Botschaft wurde ebenfalls verboten, beide Entscheidungen wurden aber vor Gericht angefochten.
Am 4. April entschied das Verwaltungsgericht in Stockholm, dass die Polizei die Koranverbrennungen zu Unrecht verboten hat. Die Richter begründeten ihr Urteil damit, dass die Umstände, auf die sich die Polizeibehörde bei ihrer Entscheidung stützte, nicht ausreichend gewesen seien. Die Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit sei ein verfassungsrechtlich geschütztes Recht, weshalb es nur begrenzte Möglichkeiten gebe, einer öffentlichen Versammlung die Genehmigung zu verweigern, etwa wenn die öffentliche Sicherheit gefährdet sei.
Dürfte man in Deutschland einen Koran verbrennen?
"Das Verwaltungsgericht hält das dargestellte Bedrohungsbild, das Grundlage für die Entscheidung der Polizeibehörde war, die Genehmigungen zu versagen, nicht für hinreichend konkret und auf die fragliche Versammlung bezogen", begründete eine der Richterinnen das Urteil.
Die Polizei legte Berufung ein. Am 12. Juni wies das Berufungsgericht diese jedoch zurück und stellte ebenfalls fest, dass die Polizei nicht berechtigt war, die Protestaktionen zu verbieten. Auch das Außenministerium wies zudem darauf hin, dass Schweden ein "verfassungsmäßig geschütztes Recht auf Versammlungs-, Meinungs- und Demonstrationsfreiheit" habe.
Auf der Grundlage dieses Urteils genehmigte die Polizei dann die Koranverbrennung im Juni, wies aber laut der Zeitung "Expressen" in ihrer Genehmigung darauf hin, dass es in Stockholm ein Verbot von offenem Feuer gebe. Eine Polizeisprecherin sagte der Zeitung jedoch: "Der verfassungsmäßige Schutz der Meinungsfreiheit hat Vorrang". Dennoch werde nun wegen des Verstoßes gegen das Feuerverbot ermittelt, so "Expressen" weiter.
Am Mittwoch hat die schwedische Polizei dann die nächste Protestaktion dieser Art genehmigt. Wie die Nachrichtenagentur TT berichtete, hatten die Organisatoren bei der Anmeldung der Demonstration angekündigt, irakische Flaggen und den Koran verbrennen zu wollen. Letzteres geschah aber nicht. Die schwedische Polizei betonte, dass sie nur Genehmigungen für öffentliche Versammlungen erteilt, nicht für die Inhalte dieser Versammlungen.PAID STERN 2019_30 Berlin-Neukölln
Wären solche Koranverbrennungen, wie sie in Schweden passiert sind, auch in Deutschland möglich?
"Eine Koranverbrennung oder die Verbrennung einer Bibel respektive einer Thora in der Öffentlichkeit wäre wie in Schweden auch in Deutschland gewiss ein empörender, gravierend herabsetzender Akt, von dem sich Muslime zu Recht angegriffen fühlen dürften", sagt Sonka E. Mehner, Fachanwältin für Strafrecht, dem stern. Eine Straftat wäre es aber nicht. "Die Religionsfreiheit gilt nicht nur für die Gläubigen. Gläubige müssen Angriffe und Schmähkritik auf ihre Religion aushalten."
"Die Religion selbst kann nicht beleidigt werden"
Zwar gibt es im deutschen Strafgesetzbuch den Paragrafen 166, "Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen". Die kommentarlose Verbrennung religiöser Schriften schließe dieser Paragraf aber nicht ein, so Mehner. "Tatbestandsmäßig wäre die Verbrennung nur, wenn sie zusätzlich mit einem abfälligen Werturteil einhergingen." Die Verletzung religiöser Gefühle allein sei nicht strafbar.
Auch für andere Straftaten könne man bei einer Koranverbrennung belangt werden, erklärt Mehner. "Der Koranverbrenner ist weder Volksverhetzer nach Paragraf 130 Abs. 1 StGB noch wäre er wegen Beleidigung nach Paragraf 185 StGB strafbar."
Und weiter: "Durch das öffentliche Verbrennen eines Koranexemplars dokumentiert der Täter seine feindselige Haltung gegenüber dem Islam. Bleibt es aber bei dieser Form der Missachtung, stachelt er nicht auf. Ebenso wenig beschimpft oder beleidigt er dadurch einen einzelnen Gläubigen, indem er seine Ehre herabwürdigte. Die Koranverbrennung ist ein Angriff auf die gesamte Glaubensgemeinschaft der Muslime, die als Kollektivbeleidigung straffrei ist. Die Religion selbst kann nicht beleidigt werden."Deutschland Verfassungsschutzbericht
Koranverbrennung bleibt rechtlich ohne Konsequenzen. "Beobachtung durch LKA, BKA und Verfassungsschutz ist aber gewiss"
Höchstens Sachbeschädigung käme unter Umständen in Betracht, etwa, wenn der Koran einer anderen Person ohne dessen Einverständnis verbrannt werde.
Rechtliche Konsequenzen müsse man aber ansonsten nicht befürchten, so Mehner. "Solange er nicht durch das öffentliche Feuer andere Dinge oder Personen gefährdet und insoweit gegen Vorschriften verstößt."
Ganz ohne Folgen dürfte eine Koranverbrennung in Deutschland aber nicht sein, meint die Anwältin: "Gewiss ist ihm aber die künftige Beobachtung durch LKA, BKA und den Verfassungsschutz."
Quellen: Nachrichtenagentur DPA, Strafgesetzbuch, Urteil des Verwaltungsgerichts Stockholm, Urteil des Berufungsgerichts in Stockholm, SVT, "Expressen" (1), "Expressen" (2)