Ermittlungen: "Nehmt mehr Schrott an": Wie Jeff Bezos bewusst Amazons Angebot verramscht haben soll
Amazon machte Jeff Bezos zeitweilig zum reichsten Mann der Welt. Auf dem Weg nach oben war er oft nicht zimperlich. Nun ermitteln die US-Behörden wegen zwei Entscheidungen.
Amazon ist eines der wertvollsten Unternehmen der Welt – und der mit Abstand mächtigste Onlinehändler. Diese Macht soll der Konzern missbrauchen, wirft ihm nun die US-amerikanische Regulationsbehörde FTC vor. Amazon soll demnach auf Geheiß des Gründers Jeff Bezos bewusst kundenfeindliche Entscheidungen getroffen haben. Und die Kommunikation darüber verschleiern.
Das geht aus Klageschrift hervor, die von der Behörde gegen Amazomn eingereicht und nun veröffentlicht wurde. Demnach soll Bezos auch persönlich eingegriffen und das Angebot bewusst verschlechtert haben, um die Gewinne zu erhöhen. Konkret geht es etwa um die Werbung, die Kunden bei Suchen angezeigt wird. Bezos habe demnach gefordert, dort auch solche Werbung anzuzeigen, die vom System eigentlich als unpassend deklariert wurde. "Zeigt mehr Schrott" ('show more defects'), soll der Gründer und langjährige CEO demnach in einem Meeting gesagt haben. Ziel war demnach, die Werbeeinnahmen zu verdoppeln.Amazon Heftstück 09.11
Befehl von oben
Der Behörde zufolge soll es durchaus um drastische Falschanzeigen gehandelt haben. So wurde demnach etwa für Reh-Urin geworben, wenn Wasserflaschen gesucht wurden. Bei der Suche nach Trikots der Basketball-Mannschaft Los Angeles Lakers seien auch Shirts der Seattle Seahwaks – einem Football-Team – gezeigt worden.
Was auf den ersten Blick wie ein harmloser Fehler wirken mag, kann durchaus Konsequenzen haben. Nach Angaben der Behörde würden 98 Prozent der Kunden den ersten Treffer bei einer Suche kaufen, der von Amazon hervorgehoben wird – auch wenn es sich bei dieser Empfehlung um eine Werbe-Einblendung handelt. Dort dann falsche Treffer zu platzieren, verschlechtert also automatisch die Kauferfahrung, argumentiert die FTC.
Amazon widerspricht dem Vorwurf. "Die Behauptung, die Unternehmensführung habe angeordnet, mehr defekte Werbung zu akzeptieren und so die Nutzerfahrung beeinträchtigt wurde, ist grob irreführend und aus dem Kontext gerissen", erklärte ein Sprecher des Unternehmens gleich mehreren Medien. Amazon sei sehr bemüht, die Benutzererfahrung immer weiter zu verbessern.Bezos Jacht Koru 16.41
Mehr Vorwürfe
Tatsächlich beschränkt sich die Untersuchung nicht auf den Werbevorwurf. Amazon soll nach Ansicht der Behörde Drittverkäufer dazu gezwungen haben, die eigenen Lager- und Liefersysteme zu nutzen, um im Ranking weiter oben aufzutauchen. Zudem wird dem Konzern vorgeworfen, mit einer Software namens "Nessie" die Preise bewusst erhöht zu haben, um andere Seiten zum Nachziehen zu zwingen.
Auch diese Vorwürfe bestreitet das Unternehmen.
Geheime Gespräche
Einer der schwersten Vorwürfe betrifft allerdings die Kommunikation im Unternehmen selbst: Bezos und einige Führungsleute sollen demnach interne Nachrichten gelöscht und so vor der Behörde geheim gehalten haben, vermutet die FTC. Das würde aber gegen die Dokumentationspflicht verstoßen.
Konkret geht es um sich selbst löschende Nachrichten beim Messenger Signal. Bezos' Smartphone war im Jahr 2019 gehackt worden, danach versuchten Personen aus dem Umfeld des damaligen US-Präsidenten Donald Trump, ihn mit Nacktfotos aus einer Affäre zu erpressen. Hier erfahren Sie mehr. Als Reaktion hatte Bezos in der Unternehmens-Führung die Nutzung des als besonder sicher geltenden Messengers angeordnet.
Dabei soll dann auch die Möglichkeit genutzt worden sein, Nachrichten nach einem bestimmten Zeitraum wieder verschwinden zu lassen. Mindestens zwischen den Jahren 2019 bis Anfang 2022 soll das nach Erkenntnissen der Behörde der Fall gewesen sein, zwei Jahre Kommunikation sollen so vernichtet worden sein.
Auch diesen Vorwurf bestreitet Amazon allerdings. Man habe "kleinlichst die Signal-Konversationen von den Telefonen der Angestellten" gesammelt und an die FTC weitergeleitet, so das Unternehmen.
Geschwärzte Klage
Wie genau die Behörde die Vorwürfe begründet, ist genausowenig bekannt wie zahlreiche weitere Details der Klage. Die veröffentliche Klageschrift ist in weiten Teilen geschwärzt, um Details zu Amazons internen Geschäftszahlen, den Nutzerzahlen von Prime und ähnliches geheim zu halten. Dabei enthält sie bereits deutlich mehr Details als früher: Eine im September veröffentlichte Version hatte noch deutlich mehr Schwärzungen enthalten.
Amazon kündigte bereits an, mit einer Gegenklage gegen die Behörde vorzugehen. Die Vorwürfe seien "falsch, in Bezug auf die Tatsachen wie auf die rechtliche Lage", so das Unternehmen.