Jahrestag des Maidan-Umsturzes. Ein desolates Zwischenfazit
Der Westen wollte diesen Umsturz und die Lügenpresse glorifizierte ihn nach Kräften, begleitet von der Verharmlosung und dem Verschweigen der meisten dunklen Aspekte des Maidans, bei gleichzeitiger Dämonisierung Russlands. Den USA war ein Keil zwischen Russland und Europa sehr willkommen, ebenso wie ein potenzieller militärischer Brückenkopf an Russlands Südwestflanke, der das Land gefügiger machen sollte, wie einen Menschen mit dem Messer an der Kehle. Das transatlantisch ausgerichtete europäische Establishment sah in der proeuropäischen Rhetorik des Maidans eine "stärkende" Abwechslung für den problembeladenen europäischen Diskurs und den siechenden europäischen Gedanken.
Symbolisch für das ganze Land: der Maidan vor und nach dem Umsturz |
Ein Jahr danach sind die Ergebnisse des Maidans verheerend, vor allem für die Ukraine. Anstelle einer politisch milden Kleptokratie hat die Ukraine nun eine Kleptokratie plus eine waschechte nationalistische Diktatur. Die meisten Formen der Kritik an der Politik der Regierung werden verfolgt, alternative Medien sind verboten. Die Oligarchen, gegen die sich der Maidan zumindest rhetorisch richtete, herrschen wie eh und je.
Das Land erlebte massive Proteste gegen den Umsturz, bedeutende Territorialverluste und einen Bürgerkrieg mit Tausenden von Toten. Viele männliche Ukrainer müssen heute in ständiger Angst vor der Mobilisierung leben, Hunderttausende retten sich im Ausland. Eine Nationalismuswelle schwappt durch das Land, die bei Vertretern zahlreicher Minderheiten für zusätzliches Unwohlsein sorgt. Das Verhältnis zum großen Nachbar ist zerrütet.
Die Wirtschaftsleistung sinkt ins Bodenlose, nicht nur infolge des Krieges, sondern infolge der Kappung der meisten wirtschaftlichen Beziehungen mit dem Haupthandelspartner Russland. Drakonische Auflagen des IWF, an die dringend benötigte Kredite geknüpft sind, lassen die Sozialausgaben schrumpfen und die Bevölkerung massenhaft verarmen. Die EU-Assoziierung, wegen der im Herbst 2013 erst alles losging, ist bis auf Weiteres verschoben (wirtschaftlicher Teil). Die ersehnte Visa-Freiheit ist weiterhin nicht in Sicht und hat sich jetzt ohnehin so gut wie erübrigt. Denn die Nationalwährung Hrywnia hat sich gegenüber dem Euro im Vergleich zur Janukowitsch-Zeit um 75% entwertet. Nur die wenigsten Ukrainer können sich nun eine Europa-Reise überhaupt leisten. In der Ukraine selbst ist die Inflation von 0,5% auf 24,5% hochgeschnellt.
All dies wäre nur halb so schlimm, wenn zumindest der Trend wieder nach oben zeigen würde. Dies ist aber keineswegs der Fall. Die Devisenreserven der Ukraine schmelzen und weisen einen erschreckend tiefen Stand von nur noch weniger als 8 Mrd. US-Dollar auf. Das Land steht vor der Staatspleite und neuen schweren Unruhen.
Außenpolitisch tauschte die Ukraine ihre Unabhängigkeit mit einer mehr oder weniger effizienten Schaukelpolitik zwischen Ost und West gegen eine politische Totalabhängigkeit und de facto externe Verwaltung vom Westen aus. Sie ist ein Spielball im großen geopolitischen Kampf geworden, in dem es den neuen Schutzherren um alles andere geht, als um das Wohl der Ukrainer selbst. Wie lange werden die Ukrainer brauchen, bis sie das erkennen?